Künstlerportrait
Rätselhafte Gesichter mit viel positiver Energie – diese Frau brennt dafür
Brigitte Herzog aus Zell am See stellt ihre Skulpturen als „Wächter“ in europäische Landschaften, und sie schafft mit Verhüllung und Licht poetische Fotografie. Herzogs Antlitze tragen alle diesen friedvollen, gleichsam entrückten Ausdruck. Sie werden von der Künstlerin aus Ton geformt, dann gebrannt und schließlich zum Bronzeguss weitergereicht an den Bildhauer Peter Wiener am Leithagebirge oder an dessen Schüler Manuel und Tobias Gruber in Bad Dürrnberg. Während Herzog den höchst aufwändigen Werdegang ihrer Schöpfungen erklärt, streicht sie leicht, ja fast zärtlich, über einen dieser „Guardians“. Zu ihren „Wächtern“ waren sie geworden, nachdem sie ihre stille und starke Präsenz seit einigen Jahren in Herzogs Garten verströmt hatten. 2022 erhielt die Pinzgauerin dann die Einladung, die auf Betonfundamenten und Stahlsäulen ruhenden Köpfe in Italien auszustellen. Die 12 Exemplare wurden sodann als tonnenschwere Installation in die Toskana gekarrt. Dass sie dort ihre positive Energie über das idyllische Weinbaugebiet Valdonica und darüber hinaus ausstrahlen, bestätigt der Weingutsbesitzer, indem er schreibt: „Die Skulpturen erheben den Geist des Friedens und der Freude in und um uns herum.“ Für Herzog stellen sie „ethnische und seelische Archetypen“ dar, die „sehr innerlich, aber gleichzeitig auch sehr wach wirken und etwas Liebevolles, Heilsames verbreiten“.
Erstmals der Öffentlichkeit zugänglich waren etliche von ihnen 2021 in der Hauthaler Mühle in Saalfelden gewesen. Besonders der Ukraine-Krieg hatte Herzog dann dazu bewogen, einer Serie ihrer „Wächter“ quasi eine „größere Aufgabe“ zukommen zu lassen: Als Statement gegen die vielen Spannungen weltweit ist über viele Jahre eine Wanderausstellung durch Europa geplant. Wohin die Reise nach dem Abbau in der Toskana 2024 geht, steht noch nicht fest.
Eigene Kunst musste lange Zeit warten
Unter dem Titel „Ihr Lächeln“ zeigte Herzog in der Kunstwerkstatt und Galerie von Roswitha Foch in Maria Alm im Juni und Juli neue Exemplare ihrer Köpfe aus gebranntem Ton, Beton und verschiedenfärbiger Bronze. Erstmals waren auch Bilder aus ihrer Fotoserie „Schleier im Licht“ zu sehen. In großen Formaten erscheinen da die Ton-Originale der Skulpturen in neuen Perspektiven. Den Kunsthistoriker Nikolaus Schaffer fasziniert an diesen Fotografien „das Geheimnisvolle und menschlich Subtile“. Das „so gerne unergründlich bleibende Lächeln“ sei durch die „Verschleierung“ noch unergründlicher geworden. Gleichzeitig erschienen uns die Gesichter dadurch „seltsamerweise weniger entrückt, menschlich näher als die mit einer Aura unnahbarer Abgehobenheit auftretenden plastischen Bildwerke“, konstatiert der frühere Salzburg Museums-Kustos. Für die Künstlerin selbst sind es eine Art „Meditationsbilder“, die – ihre Köpfe in Folie verhüllt – „wieder ganz besondere und neue Geschichten erzählen“. Apropos Geschichten: Jene Skulpturen, die – zugekauft oder selbst erschaffen – unter riesigen alten Bäumen im eigenen Garten stehen, erzählen unaufhörlich lebendige Geschichten. Im Wechselspiel von hell und dunkel, patiniert durch die Einwirkungen der Natur, verändern sie ihre Farben und ihren Ausdruck. „Sie sind zu jeder Zeit anders und immer spannend“, so Herzog, die neben Köpfen auch andere Körperteile plastiziert.
Den bisher größten Teil ihres Lebens aber hat diese Frau ganz anders gestaltet. Sie ist Doktorin der Rechtswissenschaften, hat mit ihrem Mann in Zell am See eine Familie gegründet und ihn in seinem Unternehmen unterstützt. Ihr Credo: „Für Aufgeschobenes ist es nie zu spät“
Mit Mädchennamen Grubauer in Zell am See aufgewachsen, spürte Herzog schon als Kind künstlerische Begabungen. Nach dem Gymnasium aber entschloss sie sich zum Jus-Studium. „Ich wollte Richterin werden, weil ich immer schon einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn hatte“, so die Zellerin, die in Graz promovierte, das Gerichtspraktikum in Salzburg absolvierte, aber im Laufe der Ausbildung ihre Berufsvorstellungen immer mehr enttäuscht sah und sich deshalb anders entschied, sich aber neben ihrer Arbeit weiterhin in den Bereichen Rechts- und Wirtschaftsethik engagierte. Gemeinsam mit ihrem Mann wurde Herzog auch zur begeisterten Kunstsammlerin. Nach seinem frühen Tod 2011 gründete sie 2014 das „Forum Top 7“, das sich unter anderem mit der Kunstvermittlung in privaten Kreisen befasste. Nun entdeckte sie auch ihr eigenes, noch schlummerndes Potenzial mehr und mehr. Sie begann intensiv zu zeichnen, unternahm regelmäßig Natur und Aktstudien, belegte einen Kurs an der Salzburger Sommerakademie und absolvierte ab 2018 eine Ausbildung im Plastizieren an der Kunstakademie in Bad Reichenhall bei Petra Bammes und später einen Kurs bei Franz Viehauser in Wien.
Sie sei jetzt in einem Lebensabschnitt, der ihr die Freiheit und Möglichkeiten gebe, „ihre wiederentdeckte Begabung umzusetzen und das mit ganzem Einsatz“, lässt Herzog ein wenig in ihr heutiges Leben blicken. Dies, wie sie meint, „um auch andere zu ermutigen, Visionen zu realisieren, für die man vielleicht schon als junger Mensch gebrannt hat“. Denn, so fügt sie lächelnd hinzu: „Ganz egal wie alt man ist, es ist nie zu spät, etwas Neues anzufangen.“
Christine Schweinöster
Für Platzhirsch Pinzgau / September 2023